Die Tradition des Marionettenspiels besteht in der Familie Richter seit ca. 350 Jahren und wird bis heute fortgesetzt. Die Familie zählt damit zu den ältesten Marionettentheaterdynastien Deutschlands. Der bekannte Orleshäuser Puppenspieler Karl Richter stammte aus dem Riesengebirge und war dort bekannt und berühmt als „Puppenrichter“. In Hessen hat er sich einen Namen als „König der Puppenspieler“ gemacht.
Begleitheft zu "Marionetten aus 200 Jahren " als PDF
Seine Tochter Petra Nadler setzt die Familientradition des Marionettenspiels fort. Sie hat es im Blut, mit ihren Figuren alte und junge Zuschauer gleichermaßen hellauf zu begeistern und mitzunehmen in die Welt der Märchen. Ihr ist es auch zu verdanken, dass die bis zu 200 Jahre alten Puppen zum ersten Mal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnten.
Die Sonderausstellung und das Begleitheft gaben einen kleinen Überblick über die Geschichte der Marionettenspieler-Familie Richter und Informationen zur Entstehung der dargestellten Märchen und Sagen.
Kleine Geschichte des Puppentheaters
Gliederpuppen waren bereits im antiken Griechenland bekannt. Die älteste Darstellung eines Puppenspiels in Deutschland stammt aus der Zeit um 1175 (Hortus Deliciarum der Äbtissin Herrad von Landsberg).
Im 16. Jahrhundert entstanden erste Stoffe und Libretti für das Puppentheater. Bekannt sind das Karagöztheater in der Türkei und das Commedia dell‘arte in Italien. Danach gehörten reisende Puppentheater zum üblichen Bild auf den Märkten. Wurden die Stücke bis ins 19. Jahrhundert für Erwachsene geschrieben und gespielt, entstanden nun neue Stücke speziell für Kinder. Als Stoffe dienten lange Zeit klassische Märchen, bekannte Kinderbücher und Geschichten, die die Figurenspieler selbst erarbeiten.
Marionetten wurden früher in der Regel aus Holz gefertigt. Die Köpfe waren häufig aus Lindenholz, da es eine feine Maserung aufweist, einfach zu bearbeiten und langlebig, stabil und bruchfest ist.
Das Puppenspiel in der Literatur
Berühmte Schriftsteller haben nicht nur Stücke für das Puppentheater geschrieben (z. B. die Werke von Franz von Pocci), es wurden auch Geschichten über Puppenspieler und -theater verfasst. Hierzu gehören die „Kasperle-Verse“ von Joachim Ringelnatz, „Pole Poppenspäler“ von Theodor Storm und „Über das Marionettentheater“ von Heinrich von Kleist.
Schneewittchen
ist ein Märchen aus den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. In der Erstausgabe von 1812 hieß es Sneewittchen (Schneeweißchen). Es ist eine Zusammenstellung mehrerer Versionen dieses Märchens. Inhaltlich stammt es vielleicht aus den Sieben Bergen im Leinebergland (Bergbau und Glasproduktion). Vorbild in Hessen könnte die Grafentochter Margaretha von Waldeck gewesen sein, nach schriftlichen Überlieferungen eine große Schönheit mit einer strengen Stiefmutter. Sie sollte mit einem Prinzen verheiratet werden und reiste über das Siebengebirge an den kaiserlichen Hof von Brabant. Sie starb wohl an einer Arsenvergiftung. Der Wohnort der sieben Zwerge soll das Bergwerksdorf Bergfreiheit gewesen sein, das sich heute Schneewittchendorf nennt.
Auch im Dorf Langenbach im Taunus finden sich durch historische Begebenheiten und alte Flur- und Gemarkungsnamen (Im Zwerggrund) Anhaltspunkte zu Schneewittchen und den sieben Zwergen.
Der bekannteste „Schneewittchen-Ort“ in unserer Nähe ist Lohr am Main. Maria Sophia Margaretha Catharina von Erthal starb kurz vor der ersten Niederschrift des Märchens durch die Brüder Grimm. Ihre Stiefmutter soll herrschsüchtig gewesen sein und Marias Vater schenkte ihr einen „Sprechenden Spiegel“ mit Sinnsprüchen, u.a. einem Hinweis auf die Selbstliebe. Auf der „Wieser Straße“, einem alten Höhenweg, kam man von Lohr über sieben Spessartberge zu den Bergwerken bei Bieber. Auch im Spessart gab es Eisenhämmer und Glashütten.
Der Kopf von Schneewittchen ist mit ca. 200 Jahren das älteste in der Ausstellung gezeigte Stück.
Prinz und Zwerg
Schneewittchen
Hänsel und Gretel
ist ein Märchen aus den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm von 1812. Die Quellen sind unbekannt, Wilhelm Grimm notierte „Nach verschiedenen Erzählungen aus Hessen.“ Das Märchen erschien 1844 im „Deutschen Volkskalender“ von Friedrich Wilhelm Gubitz und findet sich auch als „Vom Hänschen und Gretchen, die in die roten Beeren gingen“ auch in Ludwig Bechsteins „Deutsches Märchenbuch“ von 1856.
Hexe
Rumpelstilzchen
ist ein Märchen aus den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm in der Erstausgabe von 1812. Auch von diesem Märchen gab es ursprünglich verschiedene Fassungen. Rumpelstilzchen (Schrumpelstelzchen, ein Zwerg mit kurzen Beinen) ist eine Bezeichnung für einen bösartigen, tobsüchtigen Kobold, ähnlich einem Poltergeist.
Rumpelstilzchen
Müller und Müllerstochter
Mephistopheles
(Mephisto) ist der Name des Teufels in der Geschichte des „Doktor Johannes Faustus“. Es handelt sich um einen dienstbaren Geist, der um Beistand angerufen oder als Paredros (nichtmenschlicher Helfer von Magiern; Geister oder Dämonen von Menschen, die eines gewaltsamen Todes gestorben sind) magisch herbeigezwungen wurde.
Die Herkunft des Namens ist nicht geklärt. Möglich sind Herleitungen aus dem Hebräischen (mephir - Zerstörer, Verderber und tophel -Lügner), dem Griechischen und Lateinischen. In alten Volksbüchern und Puppenspielen findet man Varianten wie Mephostophiles, Mephostophilus und auch die heute geläufigste - und bei Johann Wolfgang Goethe verwendete - Form Mephistopheles.
In den Sagen um die historische Person Johann Georg Faust ist Mephistopheles ein Teufel, mit dem Faust einen Teufelspakt eingeht. Mephisto will Faust solange dienen, bis dieser einen bestimmten Satz sagt oder der ausgehandelte Zeitabschnitt abgelaufen ist. Dann ist Faust dem Teufel verpflichtet.
In der Tragödie von Johann Wolfgang Goethe schließt Mephisto eine Wette mit Gott ab: er versucht, Doktor Heinrich Faust vom rechten Wege abzubringen. In seiner Dichtung bezieht sich Goethe erkennbar auf das Puppenspiel vom Doktor Faust.
Mephisto
Märchen
sind eine sehr alte, bedeutsame Textgattung und treten in allen Kulturkreisen auf. Sie wurden ursprünglich mündlich weitergegeben, was erklärt, warum es einerseits oft mehrere Varianten eines Märchens gibt, andererseits bestimmte Ereignisse in verschiedenen Märchen vorkommen. Durch die Niederschriften - zum Beispiel von den Gebrüdern Grimm - wurden viele Volksmärchen vor dem Vergessen bewahrt, leider gingen dabei die regionalen Variationen verloren.
Alle Märchen haben eine feste Handlungsstruktur mit archetypischen Persönlichkeiten. Gut und Böse werden scharf getrennt, oft wird eine schwache Figur (die Stieftochter, der jüngste Sohn) am Ende zum Helden und reich belohnt.
Archetypen in Märchen
Archetypen bieten sich an, um die einzelnen Rollen und ihre jeweilige Funktion zu charakterisieren. Archetypen sind also keine Charaktere, sondern Einzeleigenschaften, die nur in Märchen als komplette Charakterbeschreibung funktionieren können. Aus diesem Grund findet man gerade in Märchen eine Vielzahl davon:
- der grausame Tyrann,
- die eitle Königin,
- die schöne Prinzessin,
- die arme Bauerstochter,
- die liebevolle (Groß-)mutter,
- die böse Stiefmutter,
- der heldenhafte Ritter,
- der Schurke,
- die Hexe, der Zauberer
- der Kobold.
Quelle aller Texte ab „Kleine Geschichte des Puppentheaters“: de.wikipedia.org/wiki/Über_das_Marionettentheater
Bäuerin und Bauer
Königin und König