Altstadt 30, Schlaghaus

Das alte Schlaghaus hat seinen Namen von dem Schlag, der Schranke, die immer geschlossen blieb und der Wächter nur nach Bedarf aufzog, um das Passieren zu ermöglichen. Diese Schranke war somit zeitweise vorgelegt, wenn das massive Tor nicht geschlossen war.
Diese Wachanlage befand sich in einem Torhaus mit Wachzimmer am Seemenbach. Diesen Bach überspannte eine hochziehbare Holzbrücke, die den Übergang in die Altstadt nur im herabgelassenen Zustand erlaubte. Somit war Büdingen von der Landstraße Wetterau – Vogelsberg verschließbar. Zutritt wurde nicht jedermann erlaubt, ein Wächter hatte die Aufsicht und war verantwortlich für jeden Stadtbesucher.
Das Torhaus war nach der Stadt zu offen und verfügte über eine beheizbare Wächterstube, die Sommer und Winter, Tag und Nacht besetzt war. Der Wächter hatte seinen Ausblick auf den Seemenbach, konnte also jegliches Hochwasser bei Zeiten melden und hatte die Zugbrücke vor dem Tor in Richtung Kellergasse laufend vor Augen. Sie musste bei drohendem Hochwasser hochgezogen werden.
Nachdem die Brücke des Seemenbaches 1494 entsprechend der neuen fortifikatorischen Erkenntnisse um ca. 20 Meter weiter bachabwärts verlegt worden war, war somit ein Durchschießen des Torhauses hinein in die Altstadtstraße unmöglich geworden. Dies war mit der Entwicklung der Kanonen unerlässlich geworden. Diese abgewinkelte Eingangssituation wurde durch den Vorbau eines Turmes vor das Torhaus verstärkt. Dieser alte Tordurchlass war durch diesen Turm versperrt worden. Dieser Turm ist im Wasserbereich rund, darüber aber fünfeckig gestaltet worden. Die Turmspitze ist typisch gotisch.

Das ehemalige Schlaghaus war mit dem weiter hinten liegenden Mühlpfortenturm, auch „Johann Erbes Pforte“ genannt, mit einer so genannten „Zwergmauer“ (Quermauer) verbunden und somit in die Verteidigungs-einrichtungen des „Steinernen Hauses“ eingebunden. Ursprünglich war dieses Schlaghaus nur zur Verteidigung eingerichtet. Später wurde es, als die neuen Einrichtungen zur Verteidigung (Kurtinen) vorverlegt worden waren, zu einem Schlachthaus der Büdinger Metzgerinnung ausgebaut, wozu dann auch das Türchen zum Seemenbach entstand, weil die Metzger immer viel Wasser brauchten.
Eine Steintafel an der Außenmauer der Wehrmauer am Seemenbach in der Nähe des alten Schlaghauses kündet von Wiederherstellungsarbeiten im Jahre 1687, als Caspar Gutmann und Konrad Wehn in Büdingen Bürgermeister waren. Teile der Stadtmauer waren durch die damaligen häufigen Überschwemmungen eingebrochen und mussten wieder aufgebaut werden.
Von der Mühlpforte steht heute noch die südöstliche Seitenwand der mehrstöckigen Pforte bis zum ehemaligen Dachansatz. In der halben Höhe, nicht gleich mit der Höhe des Stockwerkes mit dem anschließenden „Steinernen Haus“, erkennt man den Anschluss dieses Verteidigungsturmes mit dem Wehrgangsystem des benachbarten Burgmannenhauses. Dies scheint mir ein Beleg dafür zu sein, dass bereits vor der Existenz des „Steinernen Hauses“ dort ein nach alter Manier verteidigbares (Armbrust und Balluster) Burgmannenhaus gestanden hat.
Dieses war logischerweise mit einer Befestigungsanlage der Wehranlagen gegen mechanisch bewegte Geschosse ausgerüstet, nicht mit solchen, die Kanonen widerstehen konnten. Der Name Steinernes Haus ist erst später unter den Büdinger Grafen entstanden, als sich dieser Grafensitz von den umliegenden Fachwerkhäusern unterschied.
Der Pfortenturm, später auch Mühltorpforte genannt, war rechtwinklig und gegen das Stadtinnere offen mit einem Fallgitter zum Verschließen und Schießscharten und Pechnasen versehen, wie sie in Ortenberg am Oberturm heute noch sichtbar sind. Diese Pfortenanlage hatte ein Gegenstück in Form der gleichen Pfortenanlage am Eingang zur Neustadt. Vor diese Anlagen, die nicht kanonenfest waren, hat dann Graf Ludwig II. von Isenburg-Büdingen die kanonenfesten Kurtinen und Turmanlagen des Untertores und des Bollwerkes mit dem Grünen und Roten Turm gesetzt. Eine riesige Arbeitsleistung der Büdinger Bevölkerung, die von den Bewohnern der umliegenden Dörfer unterstützt wurde.
Diese alten Stadttore mit Fallgitter und Senkscharten wurden wegen Durchfahrtsschwierigkeiten um 1830 von der Stadtverwaltung Büdingen unter dem Bürgermeister Eberling als Verkehrshindernis beseitigt. Hierzu haben wir noch die Ausschreibung in Form einer Zeitungsanzeige des Gemeinnützigen Wochenblattes (14. Stück, 1829) „Ausschreibung zur Versteigerung zum Abriss der Unterpforte vom 1. April 1829.

Quelle: Dr. Walter Nieß: Die Büdinger Altstadt, Büdinger Häuserbuch III. Band, Geschichtswerkstatt Büdingen 2009.

Schlaghaus, Ansicht von der Altstadt

 

Schlaghaus, Ansicht von der Mühltorbrücke

 

Schlaghaus, Ansicht von der Mühltorstraße

Schlaghaus, Ansicht vom Meliorsdamm

 

 

 

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.