Altstadt 6, Haus Albert

Peter Nieß 1943/44:
Das vollkommen zwischen zwei Häuser eingebaute Haus wurde im Jahre 1546 von einem Löffel- oder Pfannenschmied, C. F. gezeichnet, vielleicht von dem in dieser Zeit in Büdingen vorkommenden Conz Fuste, erbaut.
Das ganze Haus hat eine Giebelbreite von 6,40 bis 6,50 Meter. Die Reulen (Zwischenräume zu den Nachbarhäusern) sind sehr schmal. Eine große Überraschung war, dass das Haus einen Giebel aus dem 18. Jahrhundert hat, welcher vor ein spätgotisches Haus gesetzt ist.
Der Dachstock hat große Ähnlichkeit mit dem Dachstock des Wagnerschen Hauses (Altstadt 7/9, Flurstück 223) schräg gegenüber. Dieses Haus Nr. 6 ist um ein Geringes breiter als das Wagnersche Haus Nr. 7/9.
Im Dachstock ist die gleichartige Bundwand. Die Hölzer sind alle sehr dünn, zum Teil waldkantig oder gar rund. Allenthalben sind Schwalbenschwanzverbindungen, die Gefache sind ebenfalls gestickt und sehr dürftig gemacht.
Der Dachstuhl setzt Pfetten auf Balkenende und schneidet mit diesem winklig ab. Darauf ist ein Aufschiebling genagelt.
Im Obergeschoss ist die Balkendecke sichtbar, die Balken stehen ca. 5 cm vor der Einfachung der Decke. Im Obergeschoss waren ursprünglich zwei Räume, jetzt sind es aber drei.
Der Speicher hat zwei Geschosse und ist gedielt und durch eine später angebaute Treppenleiter erreichbar. Der Hauptspeicher ist mit kleinen Tonplatten belegt.
Die Mitte des Hauses ist wahrscheinlich wegen des feuchten Untergrundes stark durchgebogen.
Der Erdgeschossgrundriss zeigt einen ursprünglichen Flur von 1,80 m Breite, der bis zum Hof auf der Rückseite des Hauses durchgeht. Dieser Durchgang wurde im 18. Jahrhundert zu einem Metzgerladen erweitert.
Das Fleisch hing wohl im Flur und auf der Straße. Links vom Flur war ursprünglich die Werkstatt des Pfannen- oder Löffelschmiedes, wo noch ein älterer Wandschrank in der Mauer sichtbar ist.
Die schöne Haustürumrahmung von 1576 öffnet sich auf den relativ breiten Flur, der am Arbeitsraum vorbei bis zum Kücheneingang ging.
Hinten befand sich die Küche, die nur indirekt beleuchtet war, dabei im Hof Keller und Lager. Im Obergeschoss waren zwei Räume, eine große Stube nach der Straße, dahinter der Kochraum. Die Balkendecken sind überall sichtbar, die Balken stehen 3 cm vor.
Der große Umbau fand im 18. Jahrhundert statt, wobei wohl eine Treppe in den Oberstock, der Keller und das Lager verändert wurden. Metzgerei des so genannten Hofmetzgers Wolfgang Heinrich Albert (08.01.1691 - 19.03.1734), der mit der Tochter des herrschaftlichen Jägers Marquart verheiratet war.

Dr. Walter Nieß:
Abenteuerliche Funde bei der Renovierung im Jahre 2007
Die Sanierung eines solch eingebauten Hauses mitten in einer stark belebten Gegend der Stadt ist nicht leicht, da alle Baumaßnahmen unter Platzmangel leiden. Der vorbeiflutende Verkehr bringt auch noch Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Baumaterial mit sich. Teile des Abtransportes von altem Baugeröll, wie auch der Antransport neuen Materials lagern auf dem Gehsteig, dessen Absperrungen problematisch sind.
Entsprechend gehen die Baumaßnahmen sehr langsam vor sich. Dabei wurden von aufmerksamen Bauleuten und Passanten einige Funde gemacht, welche aus dem Abfallhaufen geklaubt werden konnten. Diese Funde geben Hinweise, doch auch neue Rätsel.

  1. wurden einige Reste von Kacheln, offenbar Ofenkacheln der Renaissance gefunden, die nach Säuberung, Ablichtung und Zeichnungen als die Dioskuren, Kastor und Pollux, erkannt werden konnten. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in Bild und Skizzen beigefügt.
    Die Kacheln können nach Meinung des Verfassers kaum von einem Kachelofen in diesem Haus stammen, zumal sie als Ofenbekrönungen erkannt wurden. Sie werden nach unserer Annahme aus dem Schloss stammen, wo ja die Familie der Grafen von Ysenburg enge Beziehungen zu Pferden hatte. Zur Zeit des Hofmetzgers Albert fanden im Schloss Umbauten statt, wobei viel Steinmaterial abgefahren werden musste und es könnte sein, dass der Hofmetzger mit dem herrschaftlichen Jäger Marquart bei Umbauten in ihrem Haus in der Altstadt sich des so genannten „Kummers“ (Bauabfälle) annahmen und diesen in ihr Haus einbauten, wobei die Reste des Kachelaufsatzes aus dem Schloss in die Altstadt gewandert sein mögen.
  2. Bei den Reparaturen der Wände sollen aus einer Wandnische folgende Gegenstände herausgefallen sein:
  3. Drei Scherben von einem dickwandigen Weinkrug(?) des 16. Jahrhunderts(?)
  4. Ein Gegengewicht eines Gewichtssatzes aus Messing (100 Gramm)
  5. Ein lederner Kinderschuh
  6. Ein typisch spanischer Frauen-Haarkamm aus Horn, stark verziert, drei Zinken fehlen.

Haus Albert, Straßenansicht

Haus Albert, Straßenansicht, historische Aufnahme

Haus Albert, Straßenansicht

 

Haus Albert, Gebäudeteile

 

Quelle: Dr. Walter Nieß: Die Büdinger Altstadt, Büdinger Häuserbuch III. Band, Geschichtswerkstatt Büdingen 2009.

 

Verborgene Funde
Immer wieder werden bei Bauarbeiten in Fachwerkhäusern und anderen historischen Gebäuden absichtlich eingemauerte oder verborgene Gegenstände entdeckt. Häufig sind es Kleidungsreste, Metallobjekte, Keramikscherben, Tiere bzw. Tierteile oder getragene Schuhe.
Das Phänomen der Deponierung in Häusern – vom Keller bis zum Dachboden – existiert weltweit seit dem 14. Jahrhundert und Schuhe stellen eine besondere Objektgattung dar. Es ist durchaus möglich, dass es sich um „Abwehrzauber“ oder „Bauopfer“ handelt, auch wenn schriftliche Quellen dazu bisher nicht gefunden werden konnten. Die Sitte, Objekte zum Schutze des Hauses unter der Türschwelle oder einer Hausecke zu vergraben, ist uralt und wird in abgewandelter Form bis in die heutige Zeit praktiziert.

Deponierung 1 aus Haus Altstadt 6
Zu diesen Funden von 2006 gehören ein Frauenschuh und eine Stoffkappe für Kinder. Der Schuh wurde in einem Deckenschub gefunden, die Kappe zwischen Balken.
Die Objekte aus der Altstadt 6 können eindeutig zeitlich versetzten Hausumbauten zugeschrieben werden. Das Fachwerkhaus, dessen ältester Teil 1417 entstand, wurde 1671, 1771, 1801, 1819 und zuletzt im 20. Jahrhundert umgebaut.

Lederner Frauenschuh, letztes Viertel 18. Jh.
Der Schuh hat zwei Laschen, die über Kreuz gelegt die Weite regulieren und eine mit Metallnägelchen befestigte Sohle mit kleinem Absatz. Ausgepolstert ist der Schuh mit einem Lederfutter. Die Nähte des Schuhs sind an vielen Stellen beschädigt, der vordere Teil der Sohle fehlt.

 

 Leinenhäubchen, letztes Viertel 18. Jh.
Die Kinderkappe ist ein kleines, aus mehreren Teilen zusammengesetztes Häubchen mit gerader Kante, die dicht am Kopf sitzt. Verzierungen oder Bindebänder haben sich nicht erhalten. Außerdem ist die Kappe bräunlich verfärbt und an den Kanten stark beschädigt.

 

 

 


Deponierung 2 aus dem Haus Altstadt 6
Verborgene Funde, gefunden 2007 bei Renovierungsarbeiten an einer Wand: ein lederner Kinderschuh, ein Hornkamm, drei innen glasierten Scherben und ein zylinderförmiges Apothekergewicht.

Lederner Kinderschuh, 2. Hälfte 16./Anfang 17. Jh.
Der handgenähte Schuh wurde mit Leinwandbindung und Textileinfassung gefertigt. Die Fersenpartie besteht aus zwei getrennten Teilen. Die Schuhoberfläche ist zerfressen, der ganze Schuh ist stark ausgetrocknet.

 

 

Drei Keramikscherben, 16./17. Jh.
auf der Innenseite glasiert. Die zwei Wand- und eine Bodenscherbe stammen von einem hohen Gefäß.
19.1.2/9a-c

 

 

 

Hornkamm, 18./19. Jh.
Steckkamm zum Hochstecken einer Frisur mit einem abgerundeten, mit floralen Mustern dekorierten Zierteil und ursprünglich vermutlich 10 langen Zinken. Zwei Reparaturstellen mit Eisenplättchen zeigen, dass der Kamm über längere Zeit benutzt wurde.
10.3.2/11



 

 

Zylinderförmiges Apothekergewicht aus Metall, 1. Hälfte 18. Jh.
Es hat ein Gewicht von 116 Gramm, das entspricht 8 Lot. Diese Maßeinheit war hauptsächlich im deutschen Sprachgebiet in Gebrauch und wurde zwischen 1868 und 1872 von Gramm-Maß abgelöst. Auf der Innenseite des Bodens ist eine „8“ eingeprägt. Das Objekt gehörte zu einem Messbechersatz mit unterschiedlich großen Einsätzen.
10.2.3/5

 

 

Quelle: Heuson-Museum Büdingen

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