Aus Alltag und Beruf
Verborgene Funde
Immer wieder werden bei Bauarbeiten in Fachwerkhäusern und anderen historischen Gebäuden absichtlich eingemauerte oder verborgene Gegenstände entdeckt. Häufig sind es Kleidungsreste, Metallobjekte, Keramikscherben, Tiere bzw. Tierteile oder getragene Schuhe.
Das Phänomen der Deponierung in Häusern – vom Keller bis zum Dachboden – existiert weltweit seit dem 14. Jahrhundert und Schuhe stellen eine besondere Objektgattung dar. Es ist durchaus möglich, dass es sich um „Abwehrzauber“ oder „Bauopfer“ handelt, auch wenn schriftliche Quellen dazu bisher nicht gefunden werden konnten. Die Sitte, Objekte zum Schutze des Hauses unter der Türschwelle oder einer Hausecke zu vergraben, ist uralt und wird in abgewandelter Form bis in die heutige Zeit praktiziert.
Deponierung 1 aus Haus Altstadt 6
Zu diesen Funden von 2006 gehören ein Frauenschuh und eine Stoffkappe für Kinder. Der Schuh wurde in einem Deckenschub gefunden, die Kappe zwischen Balken.
Die Objekte aus der Altstadt 6 können eindeutig zeitlich versetzten Hausumbauten zugeschrieben werden. Das Fachwerkhaus, dessen ältester Teil 1417 entstand, wurde 1671, 1771, 1801, 1819 und zuletzt im 20. Jahrhundert umgebaut.
Lederner Frauenschuh, letztes Viertel 18. Jh.
Der Schuh hat zwei Laschen, die über Kreuz gelegt die Weite regulieren und eine mit Metallnägelchen befestigte Sohle mit kleinem Absatz. Ausgepolstert ist der Schuh mit einem Lederfutter. Die Nähte des Schuhs sind an vielen Stellen beschädigt, der vordere Teil der Sohle fehlt.
Leinenhäubchen, letztes Viertel 18. Jh.
Die Kinderkappe ist ein kleines, aus mehreren Teilen zusammengesetztes Häubchen mit gerader Kante, die dicht am Kopf sitzt. Verzierungen oder Bindebänder haben sich nicht erhalten. Außerdem ist die Kappe bräunlich verfärbt und an den Kanten stark beschädigt.
Deponierung 2 aus dem Haus Altstadt 6
Verborgene Funde, gefunden 2007 bei Renovierungsarbeiten an einer Wand: ein lederner Kinderschuh, ein Hornkamm, drei innen glasierten Scherben und ein zylinderförmiges Apothekergewicht.
Lederner Kinderschuh, 2. Hälfte 16./Anfang 17. Jh.
Der handgenähte Schuh wurde mit Leinwandbindung und Textileinfassung gefertigt. Die Fersenpartie besteht aus zwei getrennten Teilen. Die Schuhoberfläche ist zerfressen, der ganze Schuh ist stark ausgetrocknet.
Deponierung 3 aus dem Haus Vorstadt 34
Der Schuh soll bei Bauarbeiten 1989 aus einer Fachwerknische gefallen sein. Auch dieser Fund lässt sich mit Umbauten in Verbindung bringen. Es ist nicht bekannt, ob noch weitere Objekte zur Deponierung gehörten.
Lederner Kinderschuh, 17. Jh. oder jünger
Der handgenähte Schuh ist mit Rahmen gearbeitet; Schuhvorderteil und Fersenpartie separat. Er ist stark belaufen und zeigt deutliche Abnutzungsspuren.
Schuhe als Bauopfer, einige Beispiele: Kinderschuhe als Haussegen – ein Bauopfer aus dem Salzkammergut "Bauopfer?" Rätsel um Schuhfunde in Herzogenaurach Eingemauerte Schuhe im gotischen Turm von Schloss Liedberg
Zünfte
Zünfte waren ständische Zusammenschlüsse von Handwerksmeistern, manchmal auch mehrerer ähnlicher Berufsgruppen. Sie bestanden ab dem Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Sie dienten zur Wahrung gemeinsamer Interessen und bildeten ein soziales und ökonomisches System. Sie regelten Rohstofflieferungen und Produktionsmethoden, Beschäftigungszahlen und Löhne, Qualität, Verkaufsmengen und Preise, sittliche Lebensführung und Witwenversorgung. Nur als Mitglied konnte der Handwerker seiner Arbeit nachgehen.
Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit, als in den meisten deutschen Städten die Macht in den Händen des städtischen Adels lag, waren Zünfte stark eingeschränkt oder verboten. Ein Zusammenschluss von Menschen bedeutete fast immer politische Einflussnahme.
In der Zunfttruhe wurden die Urkunden, Gelder, Siegelstempel und Silbergefäße der Zunft aufbewahrt. Die „Morgensprache“, Zusammenkünfte, in denen Angelegenheiten der Zunft geregelt wurden, fand bei geöffneter Lade statt.
Zunftzeichen dienten als Werbung oder für des Lesens nicht mächtige Kunden.
Auch wenn die Zünfte vergangen sind, werden ihre Symbole noch als Berufsund Firmenzeichen verwendet. Für Berufe, die erst nach der Auflösung der Zünfte entstanden, wurden solche Zeichen erdacht (z. B. KFZ-Gewerbe).
Moderne Nachfolger der Zünfte sind die Handwerkerinnungen.
Töpferei
Aulendiebach wurde 1272 als Katzendiebach erstmals urkundlich erwähnt. Durch Schriftquellen lässt sich hier das Töpferhandwerk ab der zweiten Hälfte des 13. bis Ende des 16. Jahrhunderts belegen. Der Name Aulendiebach (Aulner = alte Bezeichnung für Töpfer) verrät, dass der Ort einmal ein wichtiger Töpfereistandort gewesen sein muss. Aulendiebacher Trinkgeschirr war in der ganzen Region verbreitet und ließ sich bei Ausgrabungen zum Beispiel in Frankfurt und im Odenwald nachweisen.
Ende des 13. Jahrhunderts gelang im Mittelgebirgsraum die Herstellung von „echtem“ Steinzeug. Bei einem Brand über 1250 Grad Celsius wird die Gefäßwandung steinhart, wasserdicht und säurefest. Steinzeug ist außerdem geschmacksneutral. Es dient deshalb häufig als Trink- und Schankgeschirr oder als Vorratsgefäß für saure Nahrungsmittel. Hoher Brennholzbedarf, die durch Zünfte gesicherte hohe Qualität und meist weite Transportwege aus den Produktionszentren - z. B. aus dem Westerwald oder Köln - machten Steinzeug zu einem Luxusgut.
Zwischen 1955 und 1959 wurden in der Kirchstraße in Aulendiebach Reste von Töpfereien mit zwei Öfen und den dazugehörigen Abfallgruben ausgegraben. Die in den Abfallgruben gefundenen Objekte sind zumeist Fehlbrände, die beim Brennen rissen oder deformiert wurden. Sie stammen aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Fundstücke aus dem 15. und 16. Jahrhundert wurden nicht gefunden. Wahrscheinlich lag die Töpferei zu dieser Zeit an einer anderen Stelle. Seit 2009 gibt es Forschungsprojekte zu spätmittelalterlicher Keramikproduktion in der Rhein-Main-Region, um die in dieser Zeit häufig sehr ähnlichen Gefäße eindeutig einer Töpferei zuordnen zu können. So geriet auch Aulendiebach in den Fokus der Forschung.
Schmiede
Das Schmiedehandwerk gehört zu den ältesten und vielfältigsten Berufen. Es gab Huf-, Nagel-, Sensen- und Messerschmiede, Schlosser, Sporer, Spengler und Büchsenmacher. Jahrhundertelang fertigte der Schied Geräte für Landwirtschaft und Handwerk, Hufeisen, Schlösser und Schlüssel, Tür- und Fenstergitter, Wetterfahnen, Laternen und viele andere Nutz- und Ziergegenstände.
1490 und 1595 bemühten sich die Büdinger Schmiede um eine eigene Zunftordnung, aber sie kam erst 1603 zustande. 1658 wurde 18 Büdinger Meistern die Zunftordnung wiederholt bestätigt; die Schmiedezunft umfasste nun auch Schlosser, Wagner und Büchsenmacher. 1662 erhielten die Schmiedemeister ein eigenes Zunftsiegel. 1737 wurden auch die Uhrmacher als Mitglieder der Schmiedezunft erwähnt. Die Büdinger Familie Schmück, deren Werkstatt sich gegenüber dem Heuson-Museum befand, betrieb über fünf Generationen hinweg bis 1965 das Schmiedehandwerk.
Quelle: Willi Luh
Literatur zu Alltag und Beruf
Büdinger Geschichtsblätter Band 3/4, 1959/61
Manfred Schlosser
Der Kupferschieferbergbau in Haingründau und Hailer bei Gelnhausen, S. 155-168
Büdinger Geschichtsblätter Band 8, 1974/75
Hans Velten Heuson
Eine Wölbtopfanlage in Büdingen-Großendorf, S. 174-175
Büdinger Geschichtsblätter Band 14, 1991/92
Jürgen Ackermann
Die Eisenhütte in Hitzkirchen, S. 413-448
Büdinger Geschichtsblätter Band 15, 1995/96
Friedrich Karl Azzola; Hans-Velten Heuson
Die historischen Handwerkszeichen der Büdinger Pfannenschmiede, S. 228-243
Jürgen Ackermann
Von der ysenburgischen Eisenhütte an der Oberschmitten bei Büdingen und ihrem Zweigbetrieb in Gettenbach, S. 244-259
Werner Loibl
Zur Neudatierung der Glashüttengründung in Breitenborn, S. 276-304
Christof Krauskopf
Die mittelalterliche Töpfertradition in Aulendiebach, S. 305-311
Büdinger Geschichtsblätter Band 16, 1998/99
Werner Loibl
Barock im ehemaligen Glasmacherdorf Breitenborn am Wald, S. 265-309
Büdinger Geschichtsblätter Band 17, 2001
Werner Loibl
Zur Biographie des „Spiegelmeisters“ Johann Georg Gundelach, S. 517-576
Büdinger Geschichtsblätter Band 18, 2004/05
Jürgen Ackermann
1601/02:Warentransport auf der Kinzig oder auf der Frankfurt-Leipziger Landstraße?, S. 341-344
Werner Loibl
Zum Lebensweg des Glasmachers Paul Wentzel (geb.1620 in Unterriedenberg, gest. 1680 in Breitenborn), S. 345-401
Friedrich Karl Azzola
Das historische Küferzeichen vom Grabstein des Küfers Johann König in Lindheim (1649 – 19.05.1723), S. 402-408
Werner Wagner
Düdelsheimer Frucht-, Längen- und Flächenmaß vor 1817 mit Umrechnungen auf das metrische System und Düdelsheimer Geldrelationen im Jahre 1545, S. 517-520
Büdinger Geschichtsblätter Band 19, 2006
Werner Loibl
Büdingen und der „gläserne“ Spessart, S. 257-262
Büdinger Geschichtsblätter Band 23, 2015
Klaus-Peter Decker
Büdinger Verlagswesen - Die Druckerei von Regelein und Stöhr, S. 5-126
Büdinger Geschichtsblätter Band 24, 2016
Petra Hanauska und Thorsten Sonnemann
Das Töpfereizentrum von Aulendiebach, S. 231-270
Werner Loibl
Die Einführung der Steinkohlenfeuerung für Mondglas-Schmelzöfen in Deutschland, S. 37-99
Büdinger Geschichtsblätter Band 25, 2018
Petra Lehmann-Stoll
„Verborgene“ Schuhe in Büdingen, S. 443-452