Schlossgasse 22, Lutherische Kirche
Walter Nieß:
Die ehemalige evangelisch-lutherische Kirche, erbaut von 1770-1774, ist heute in Privatbesitz und nach zwei Umbauten immer noch eine Sehenswürdigkeit in der Schlossgasse. Sie ist ein typisch klassizistischer Hallenbau, der auf Betreiben der Gräfin Auguste Friederike, geborene Gräfin Stolberg-Werningerode, der Gattin des in Büdingen regierenden Grafen Ludwig Casimir zu Ysenburg-Büdingen, errichtet wird. Letzterer gestattet durch ein Patent vom 1. März 1770 den Lutheranern der Stadt und der Grafschaft die freie öffentliche Religionsausübung. Der Bau wird vornehmlich durch „Collecten lutherischer Gemeinden“ im ganzen deutschen Reich ermöglicht, wobei nach Christian Ferdinand Meyer, Geschichte der Stadt und Pfarrei Büdingen, 1553 Florin. 12 Kreuzer zusammengekommen sind, dazu noch umfangreiche Sachspenden aus der Büdinger Grafschaft.
Graf Ludwig Casimir schenkt der neuen Lutherischen Gemeinde den Bauplatz in der Schlossgasse, zum Teil auch ehemaliger Wohnplatz der Burgmannen von Büches, der auf Umwegen als Dienstland an den damaligen Gräflichen Regierungsrat Albert Reich gekommen ist und danach in den Händen des gräflichen Rates Meierhof liegt.
Das dazugehörige Haus der ehemaligen Herren von Büches oder deren Nachfolger, der Herren von Glauburg und von Lauter, ist bei dem Verkauf des Eckgrundstückes von Graf Wolfgang von Ysenburg-Ronneburg an den Hofrat Martinus Bentz gekommen und laut Zeitberichten seit 1732 in Händen der Rat Bentzschen Erben.
Der Bau der Lutherischen Kirche wird unter dem Kirchenvorsteher Stöhr im Oktober 1770 unter der Bauleitung von Protokollführer Johann Peter Hormeß begonnen. Man beseitigt einige Mauern und fängt an, die Fundamentgräben, hier „Grundgraben“ genannt, auszuheben. Entsprechend der dortigen alluvialen, mithin feuchten Grundverhältnisse, versieht man die Fundamente 1771 mit einer „Pfählung“. Maurermeister Knaf und Zimmermeister Gaul „et Consorten“ legen einen Rost aus 22 Buchenstämmen, in den noch 44 Pfund Blei gegossen wird.
Die Feierlichkeiten der Grundsteinlegung werden mit der Verteilung von einem „alten Thaler“ als Gedenkmünze oder Trinkgeld an die Bauleute besonders gewürdigt. Die Büdinger Steinmetzmeister Jakob Schüßler, Johann Michael und Thomas Mörs (Wohnung in der Rathausgasse, Haus Großkopf mit Wappen) fertigen die Gesimse und Türgewände, Johannes und Ludwig Widersum weitere Gesimse usw. Für die Zubringarbeiten wird ein Holzkran mit Flaschenzug aufgestellt, der über ein Jahr an der Baustelle in Funktion ist. Im Jahre 1774, nach weitgehender Fertigstellung des Rohbaus der Kirche, wird der Innenausbau begonnen. Dieser besteht aus zwei Emporen auf Steinsäulen mit ionischen und korinthischen Kapitellen samt Basen. Statt eines Altars liefert der Schreiner Wilhelm Otto Mörschel den Altartisch. Am 26. August 1774 findet die Einweihung der Kirche statt. Alle Kirchenrechnungen sind in den Ysenburgischen Archiven im Schloss Büdingen erhalten.
Auf einem Bild der Lutherischen Kirche aus dem 19. Jahrhundert, veröffentlicht vom Gymnasiallehrer Georg Thudichum, der die Geschichte des Gymnasiums schrieb, erkennt man die nach Westen anschließenden Nebenbauten. Dies sind Gebäude des ehemaligen Burgmannenhauses der Herren von Büches entlang der Stadtmauer.
Quelle: Dr. Walter Nieß: Burgmannenhäuser der Schlossgasse, Büdinger Häuserbuch I. Band, Geschichtswerkstatt Büdingen 2007.
Schlossgasse 22, Ansicht von der Stadtmauer
Lutherische Kirche, Quelle: Dr. Walter Nieß
Lutherische Kirche und Haus Büches, Quelle: Dr. Walter Nieß
Schlossgasse, Quelle: Dr. Walter Nieß