Pogrom am 10. November 1938

... zunächst zahlreiche jüdische Einwohner von Büdingen aus ihren Wohnungen geholt und in das Amtsgerichtsgefängnis gebracht.
Am frühen Nachmittag rottete sich eine größere Menschenmenge zusammen, die durch die Straßen der Stadt zog und Gewalttätigkeiten beging … Während zahllose Neugierige von der Straße aus zusahen, drangen einzelne Haufen, zumeist aus Jugendlichen und Schulkindern bestehend, in die jüdischen Wohnungen ein, zertrümmerten die Möbel und andere Einrichtungsgegenstände, zerschlugen Fensterscheiben und Geschirr, schlitzten die Betten auf und warfen Möbelstücke, Wäsche und andere Dinge auf die Straße.

Aus dem Urteil zum Pogrom am 10. November 1938

Die 60-jährige Frau Hirschmann wurde die Schlossgasse entlanggetrieben, geschlagen, getreten und versucht, sie in den Seemenbach werfen. Sie wurde zu ihrem Schutz in das Amtsgerichtsgefängnis gebracht.

 

Düdelsheim am 10. November 1938
Schreckliche Szenen spielten sich beim Novemberpogrom ab, bei dem nicht nur die Synagoge verwüstet und die Inneneinrichtung verbrannt wurden. Auch die Wohnungen der noch am Ort lebenden jüdischen Familien wurden aufgebrochen, verwüstet und teilweise geplündert. Eine 55-jährige wurde von der Toilette gezerrt, mit Jauche bespritzt und gemeinsam mit ihrem 52-jährigen Bruder verprügelt und unter Fußtritten zum Rathaus getrieben. Dort wurde ihnen ein Sack über den Kopf gestülpt und sie mussten mit einem Besen in der Hand „tanzen“. Ein 51-jähriger wurde von zwei Personen durch Düdelsheim geführt, während ihn ein Weiterer auf dem Genick sitzend „ritt“. Die jüdischen Einwohner wurden dann im Rathaussaal zusammengetrieben, dort beschimpft und verhöhnt. Einigen wurden Stricke um den Hals gelegt und Mehlsäcke über den Kopf gestülpt, um sie dann am Fenster den Zuschauern „auszustellen“.

Aus: alemannia-judaica.de/duedelsheim_synagoge.htm#Zur Geschichte der Synagoge

 

Gestern brachen in Büdingen und seinem Kreisgebiet, wie auch anderwärts, judenfeindliche Kundgebungen aus, die als Vergeltungsmaßnahme für den durch feige, jüdische Mörderhand ums Leben gekommenen deutschen Diplomaten, vom Rath, anzusehen sind. Daß in der letzten Zeit wieder ein besonders freches und herausforderndes Benehmen der Juden festzustellen war, soll, wie uns mitgeteilt wurde, auch in Büdingen und in den verschiedensten Dörfern des Kreises der Fall gewesen sein. Die Juden mußten zum größten Teil in Gewahrsam genommen werden, um sie von der verständlichen Erregung der Volksmenge fern zu halten. Wie uns mitgeteilt wurde, haben in Befolgung der Anordnung des Reichsministers für Propaganda und Volksaufklärung, die gestern nachmittag durch den Rundfunk gegeben wurde, auch bei uns keine weiteren judenfeindlichen Kundgebungen mehr stattgefunden. Neben einem energischen Protest und der Entfernung der Juden aus ihren Behausungen, wobei Schusswaffen und Munition, Flugschriften und hetzerische Briefschaften usw. gefunden worden sind, ist es zu keinen weiteren Zwischenfällen gekommen, da man mit Genugtuung davon Kenntnis genommen hat, daß auf dem Wege der Verordnung den Juden eine fühlbare Strafe zuteil werden soll. Die Geschäfte und Häuser wurden gestürmt. Dabei wurden neben Hieb- und Stichwaffen, auch Schusswaffen und Munition gefunden.Synagogen, die die noch nicht zu anderen Zwecken umgewandelt sind, wurden demoliert. Die heute in 54 Orten unseres Kreises abgehaltenen Versammlungen leitet die Parole „Die Juden sind Mörder!“

Büd. Allgem. Anzeiger, 11.11.1938

 

1949 mussten sich sieben Personen aus Büdingen und Umgebung für das Pogrom am 10. November 1938 vor der I. Strafkammer des Landgerichts in Gießen verantworten. Ein Angeklagter wurde zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr, ein anderer zu neun Monaten verurteilt.

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